Bevor ich mich getraut habe mein eigenes Startup zu gründen habe ich versucht mit so vielen Gründern wie möglich zu sprechen. Doch leider hatte ich in dieser Zeit noch nicht das richtige Netzwerk, um mich mit wirklich guten Unternehmern zu unterhalten.
Das soll für dich als Existenzgründer nicht so sein. Deshalb habe ich 320 Minuten lang Interviews mit erfolgreichen Startups geführt, um dir Tipps für Jungunternehmer zu geben, die dich wirklich weiterbringen.
Abseits von Checklisten, die dir erklären wie man eine GmbH gründet gibt es hier Ratschläge aus dem echten Startup Leben.
In diesem Text möchte ich dir einige der Highlights und meine bescheidene Meinung dazu darlegen. Wenn du Anregungen oder Fragen hast schreib diese einfach als Kommentar unter den Artikel.
Feedback is the breakfast of champions
Den Anfang macht Manfred Tropper von mantro. Mantro hat sich vom IT-Dienstleister hin zum Startup Inkubator für Corporates entwickelt und macht einen Jahresumsatz von ca. 5 Millionen €.
Manfred ruft in unserem gemeinsamen Interview dazu auf, dass du viel schneller von der Theorie zum Doing kommen musst. Akzeptiere, dass deine Idee so wie du sie dir überlegt hast sch..ße ist und nur mit dem Feedback von potentiellen Kunden besser wird.
Der Markt möchte höchstwahrscheinlich etwas anderes als du denkst. Jetzt kommt es darauf an, ob du flexibel genug bist deine Idee immer wieder iterativ mit dem Kundenfeedback anzupassen oder ob du denkst, dass nur du weißt was richtig ist.
Also keine Angst haben über deine Idee zu reden und dass dir jemand deine Idee klaut. Rausgehen und deinen Prototypen testen, verbessern, testen, verbessern und zum Schluß ein geiles Produkt haben was die Leute wirklich brauchen.
Ein weiterer Punkt von Manfred: Das Team.
Vielleicht wenig überraschend sagen alle von mir interviewten Startups, dass ein tolles Team für die Existenzgründung viel wichtiger ist als das Produkt. Denn nur ein tolles Team macht ein tolles Produkt.
Andreas Kunze, der seine Firma Konux mit nur 22 Jahren gestartet und mittlerweile eine Series A Venture Capital Finanzierung in den USA über 7,5 Millionen $ eingeworben hat, schlägt in die gleiche Kerbe.
Er hat mir verraten, dass sie zunächst klar am Markt vorbei entwickelt haben. Als sie das gemerkt haben sind sie nochmal komplett neu gestartet und haben in 1892 (nein ich habe mich nicht verschrieben) Kundeninterviews per Telefon versucht die Kundenprobleme und Kundenbedürfnisse zu verstehen.
Andreas meint, dass man in diesen Kundeninterviews den Kunden zu 80% reden lassen sollte.
Andreas rät euch folgende Vorgehensweise bei der Ideen/Produktentwicklung:
Startet mit einem interdisziplinären 4er Team und schreibt die 3 Top-Hypothesen zu dem was ihr machen wollt herunter. Überprüft diese Hypothesen in 50 Kundengesprächen und konzipiert auf Basis der Kundengespräche eine Lösung/Produkt. Diese Lösung präsentiert ihr dann wieder diesen Kunden und überarbeitet euer Produkt so lange bis ihr dank des kontinuierlichen Feedbacks ein MVP für den Kunden habt.
Ich bin ein großer Anhänger der von Andreas vorgeschlagenen Methode. Nennt es wie ihr wollt Design Thinking oder Lean Startup. Nur aus dem Kundenfeedback heraus lassen sich gute Produkte entwickeln.
Hier mein Senf zu den beiden Interviews:
Ein interdisziplinäres Team bedeutet, dass du und deine Teammitglieder sich in ihren Fähigkeiten ergänzen sollten. Eine tolle Teamkonstellation könnte z.B. Hacker (Programmierer), Hustler (BWL-Sales-Typ) und Designer sein.
Du kennst keine Leute, die perfekt für dein Team sind? Dann check mal auf meetup die nächsten Treffen z.B. von Entwicklern und versuche dort Leute kennenzulernen. Hier ein guter Artikel wie du die Teilnahme am meetup optimal nutzt, um Leute kennenzulernen.
Außerdem, und diesen Punkt kann ich gar nicht genug unterstreichen, sollte euer Kernteam ungefähr die gleichen Ansprüche an das Leben haben.
Heißt konkret:
Wenn ihr unterschiedlich alt seid, unterschiedlich viel Geld verdient, der eine Single ist und der andere eine Familie hat sind Probleme meines Erachtens vorprogrammiert.
Uneinigkeiten über die Höhe des Gehalts in Problemzeiten (klar die Familie muss ernährt werden, während der Single sich auch von Pizza und Wasser ernähren kann) oder die Dauer der Arbeitszeit pro Woche können ein Gründerteam schnell auseinanderbrechen lassen.
Vertrieb ist Chefsache
Nico Reis von Altruja, einer Software-as-a-Service (Saas) Lösung mit der Spendenorganisationen im Jahr 6-10 Millionen € an Spendenvolumen abwickeln meint, dass du als Geschäftsführer in deinem Unternehmen am Anfang alles selbst machen musst, vor allen Dingen den Vertrieb.
Nur so lernst du was funktioniert und was nicht und kannst mit diesem Einblick dein Produkt und deine Kundenansprache verbessern. Und, kleiner verbaler Arschtritt, es wird nie den perfekten Zeitpunkt geben um mit der Existenzgründung loszulegen. Also leg einfach los, geh raus und versuche zu verkaufen, selbst wenn dein Produkt noch nicht final ist.
Dazu passt das erste der drei Mantras nach denen die Jungs und Mädels von Altruja leben, nämlich “progress not perfection”. Das zweite Mantra ist “feedback is the breakfast for champions” (gegenüber Kunden und intern). Und das dritte und mein persönlicher Liebling “ask for forgiveness not permission”. Du als Startup hast den Riesenvorteil gegenüber großen Konzernen, dass du dich nicht an tausend Regeln halten musst und so viel schneller agieren kannst.
Bevor ich schreibe was ich mit Philipp Benkler von den Testbirds besprochen habe, erstmal noch eine Ergänzung von mir:
Weißt du noch wie viel Angst du davor hattest das Mädchen oder den Typen zu küssen als du 18 warst?
Und hat es sich nicht gelohnt, dass du diese Angst bewältigt hast?
Die besten Dinge passieren dann wenn man sich wirklich traut.
Sich zu Hause hinzusetzen und 80 Seiten Businessplan zu schreiben, im eigenen Büro ein Produkt komplett fertig zu entwickeln – das heißt das Mädchen/den Jungen nicht zu küssen.
Rausgehen und mit Leuten reden und denen ein nicht fertiges Produkt zeigen, damit bist du vom Küssen praktisch schon zum Fummeln übergegangen.
Zurück zu Philipp von den Testbirds, einem Vorzeige-Startup hier aus München mit mehr als 50 Mitarbeitern an 4 internationalen Standorten. Testbirds ist einer der Pioniere des Crowdtesting, bei dem z.B. neue Applikationen von einer Crowd getestet werden, um sie dann fehlerfrei auf den Markt zu bringen. Philipp hat mir in unserem Interview erzählt wie sie zu ihrem ersten Kunden gekommen sind. Das Interview im Zusammenschnitt mit alle anderen kannst du dir ja oben herunterladen. Hier die Kurzversion:
Sie hatten ihr Produkt noch nicht fertig, sind aber schon raus und haben versucht Kunden zu akquirieren und einer hat dann tatsächlich gesagt ja finde ich gut. Das machen wir nächste Woche. Und die Jungs von Testbirds hatten zu der Zeit noch absolut nichts: Keine Tester und kein fertiges Produkt.
Was haben sie gemacht?
Als Tester ihre Kommilitonen aus dem Studium eingespannt und so diesen ersten Kunden auch tatsächlich zufrieden gestellt. Das wichtigste war, dass sie dadurch ihren Test-Prozess zum ersten Mal live mit einem Kunden durchgegangen sind und dieser live-Test so gar nichts mehr damit zu tun hatte wie sie ihn sich vorher in der Theorie überlegt hatten.
Ein anderer Punkt, den das Beispiel der Testbirds schön beleuchtet ist, dass Produkte immer dann “fertig” werden, wenn der Druck durch den Kunden da ist. Auf einmal kann man Produkteigenschaften, die man vorher noch für eine Erstversion geplant hat, doch erst später entwickeln.
“Done is better than perfect”, sagt auch Dorothea Utzt von Streetspotr einem Regensburger Startup, das die Crowd nutzt um durch diese kontrollieren zu lassen wie gut die Präsentation von Produkten am Point of sale ist. Dorothea gibt zu, dass sie in der Vergangenheit viel zu lang versucht haben Dinge zu perfektionieren, anstatt sie schnell raus zu bringen.
Philipp von den Testbirds rät dir weiterhin dein Produkt nie kostenlos anzubieten. Mach so schnell wie möglich Umsatz. Denn nur so weißt du ob du einen Markt für dein Produkt hast oder nicht.
Den Punkt kann ich sowas von unterstreichen. Für mich und übrigens auch fast immer für Investoren steht erst fest dass du einen Markt hast, wenn der Kunde diesen Markt mit seinem Portemonnaie validiert.
Ich habe schon so oft gehört, dass jemand ein Produkt unbedingt braucht, nur um dann später zu sagen, dass er es doch nicht braucht und nicht gedacht hat dass es so teuer ist.
Wenn du noch mehr in das Thema Marktvalidierung einsteigen möchtest kannst du dir gerne diesen Artikel durchlesen, den ich für den autaak Blog geschrieben habe.
Selbstständig mit oder ohne Arbeitserfahrung machen?
Kommen wir jetzt mal zum Thema Erfahrung vor deiner ersten Existenzgründung. Hierbei gehen die Meinungen ein wenig auseinander.
Jan Dzulko, der zwei seiner Unternehmen an Check24 verkauft hat und jetzt als Business Angel unterwegs ist, rät dir davon ab direkt aus der Uni heraus zu gründen. Vielmehr meint er, dass du zunächst Arbeits- und Führungserfahrung in der Anstellung sammeln solltest.
Ergänzung von mir:
Es ist tatsächlich ein von den Medien geschürter Irrglaube, dass alle Gründer die Uni schmeissen und total jung gründen. So alt ist der durchschnittliche Gründer tatsächlich in Österreich und in Deutschland.
Carl Hoffmann der sein HR Software Startup Talentry noch während seines Studiums gestartet hat hält dagegen, dass ihm gerade die Blauäugigkeit dabei geholfen hat sich mit der Existenzgründung zu trauen und durch Hürden zu kämpfen. Jan und Carl sind sich allerdings einig, dass seniore Teammitglieder gerade bei jungen Teams sehr stark helfen können.
Vor und Nachteile junger Gründer hat Peer Wandiger vom Selbstständig im Netz Blog in diesem Artikel schön zusammengetragen.
Einen weiteren Tipp hat Jan noch für dich und zwar Fokus, Fokus, Fokus. Startups verhungern nicht an Ideen, sie ertrinken in ihnen. Sich auf die richtige Idee zu konzentrieren ist entscheidend.
Dazu habe auch ich meine Erfahrungen machen müssen.
Ich bin ja auch ein Mensch, der immer wieder neues ausprobieren möchte. So habe ich mich bei meinen eigenen Startups in der Vergangenheit sehr stark verzettelt.
Ich habe ja zunächst eine Agentur gegründet, die Erklärfilme für Unternehmen macht. Aus dieser Agentur heraus hatten wir dann die Idee zu einer SaaS Lösung und sind mit dieser Idee viel zu früh gestartet. Beides gleichzeitig zu machen war dann sehr anstrengend und hat uns fast beide Firmen gekostet.
Erst als wir unsere SaaS Idee wieder geparkt hatten und uns voll auf unsere Erklärfilme konzentriert haben lief es wieder richtig gut.
Deshalb gilt jetzt für mich: Fokus bis etwas wirklich von alleine gut läuft und erst dann etwas neues.
Dass Startup nicht immer der einfachste Weg ist weiß auch Peter Schindlmeier, Gründer von casavi. Aber Durchhalten lohnt sich. So viel wie du in deiner Selbstständigkeit in kürzester Zeit lernen wirst, kannst du in keiner Anstellung mitnehmen.
PPS: Du hast Anmerkungen, Ergänzungen, Lob oder Kritik? Dann wäre es Klasse, wenn du den Artikel kommentierst
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